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Ich wurde mehrfach um eine Stellungnahme zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“ gebeten.
Wir freuen uns über das Interesse am Artenschutz, der Landwirtschaft und der Zukunft unserer biologischen Vielfalt im Land. Und wir wissen um den Einsatz vieler Landwirte und Streuobstbauern zum Erhalt unserer vielfältigen Kulturlandschaft.
Aber: Gerade erleben wir das wohl größte und schnellste globale Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier. Rund eine Million Arten drohen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weltweit auszusterben. Auch unsere Natur hier in Baden-Württemberg ist bedroht: Zwei von fünf heimischen Arten stehen auf der Roten Liste gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Deshalb begrüßen wir grundsätzlich das Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“ – zumal wir Grüne es waren, die in der letzten Legislatur für Volksbegehren eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen haben.
Das Volksbegehren und die breite öffentliche Debatte über Insektensterben, Rückgang der Agrarvögel und den allgemeinen Schwund der Biologischen Vielfalt zeigen, dass die Belange des Natur- und Artenschutzes in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind – auch das ist grundsätzlich erfreulich. Die große Mehrzahl der Regelungen im Volksbegehren ist ausdrücklich zu begrüßen. Es geht darin auch um Umweltbildung und andere Aspekte, die in der öffentlichen Debatte derzeit leider "untergehen". Viele der Forderungen finden, das zeigen auch zahlreiche Gespräche mit Landwirten, einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Zugleich wird in der öffentlichen Debatte deutlich, dass viele Landwirte und Obstbauern große Sorgen haben, die wir sehr ernst nehmen.
Die geforderten Regelungen zum gesetzlichen Schutz von Streuobstbeständen, zum Biotopverbund, zur Umweltbildung, zur Ausweitung des ökologischen Landbaus und zur Pestizidreduktion sind wichtige Beiträge zum Erhalt der Biodiversität im Land. Gleichzeitig sehen wir Probleme in der praktischen Umsetzung des weitgehenden Pestizidverbots in Schutzgebieten (§ 34 Naturschutzgesetz): Die geforderte Regelung bedeutet eine Ausweitung der Regelungen zum Pestizidverbot auf ca. ein Viertel bis ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche Baden-Württembergs.
Derzeit haben wir zwar schon über 14 % Bio-Landbau und zahlreiche weitere Flächen ohne Pestizideinsatz. Aber insbesondere für den Weinbau und Plantagen-Obstbau würde diese Regelung im § 34 des Naturschutzgesetzes erhebliche Herausforderungen bedeuten. Betroffen von dem Verbot wären im Übrigen sowohl konventioneller als auch ökologischer Landbau – allerdings gibt es auch die ausdrückliche Möglichkeit großzügiger Ausnahmeregelungen.
Wir wollen die Landwirtschaft und die Obstbauern als Produzenten wertvoller regionaler Lebensmittel weiter unterstützen und fördern. Viele Landwirte sind aktive Partner im Naturschutz und in der Landschaftspflege. Die im Volksbegehren vorgeschlagenen Ausnahmen (die in der öffentlichen Diskussion leider meist nicht einmal benannt werden) wären mit Verwaltungsaufwand und Bürokratie verbunden: Daran haben wir kein Interesse!
Die Landwirte sind ohnehin mit viel Bürokratie und durch zu geringe Preise für viele ihrer Produkte belastet. Da liegt es im Übrigen an allen Verbraucherinnen und Verbrauchern, nicht das Billigste, sondern gute Qualität zu kaufen, und faire Preise für regional und naturnah erzeugte Lebensmittel zu bezahlen. Wir sind in der Landtagsfraktion GRÜNE seit Monaten im intensiven Dialog sowohl mit den Initiatoren des Volksbegehrens als auch mit Kritikern des Volksbegehrens auf Landesebene und vor Ort. Ziel ist es, die Regelungen zum Pestizidverbot in Schutzgebieten praxistauglicher zu gestalten. Bio-Mittel sollten - ggf. mit Ausnahme von Schwefel und Kupfer - gar nicht betroffen sein.
Landschaftsschutzgebiete könnten evtl. generell ausgenommen werden. Eine naturverträgliche Landwirtschaft auch in Schutzgebieten muss weiterhin möglich sein. Das heißt auch, dass naturverträgliche Landwirtschaft weiterhin befördert und gefördert werden muss. Die Formulierungen und Regelungen im Volksbegehren sind teils sehr detailliert – das führt leicht zu pauschaler Kritik.
Behauptungen zum Beispiel, die Unterschutzstellung von Streuobst würde dazu führen, dass keine Förderung mehr möglich ist, sind schlicht falsch: In Bundesländern wie Hessen, Bayern oder Thüringen stehen die Streuobstbestände unter Schutz und die staatliche Förderung ist vielfältiger und in manchen Programmen höher als bei uns in Baden-Württemberg. Streuobst-Schutz und Streuobst-Förderung ergänzen sich hervorragend und sind beide nötig, gerade bei uns in Baden-Württemberg. Z.B. wäre auch die Baumschnittförderung, die es bei uns in BW im Vergleich zu anderen Bundesländern gibt, weiterhin problemlos möglich. Mit den europaweit größten – und trotzdem auf der Roten Liste der stark gefährdeten Biotoptypen stehenden – Streuobstbestände haben wir eine besondere Verantwortung. Gerade auch im Landkreis Böblingen und hier insbesondere für den landschaftsprägenden Streuobstgürtel am südlichen Schönbuchrand.
An einigen Stellen erachten wir das Volksbegehren für einen umfassenden Artenschutz im Übrigen als nicht weitreichend genug. Es fehlen unter anderem Regelungen zum Flächenverbrauch und der Zerschneidung der Landschaft, zur Reduzierung der Lichtverschmutzung, zu den sog. „Schottergärten“, zu Nährstoffeinträgen, zum landesweiten Biotopverbund etc. Auch wir als Land haben eine Vorbildfunktion: Die Liegenschaften des Landes in Schutzgebieten sollten naturverträglich genutzt und im Rahmen bestehender Verträge konsequent auf naturverträgliche Nutzung und Bio-Landbau umgestellt werden. Wir dürfen nicht nur Ziele zu Öko-Landbau oder Pestizidreduktion oder Streuobst-Schutz formulieren, sondern müssen dies mit Unterstützung im Bereich Verwertung und Vermarktung voranbringen.
Wichtig wird es sein, wie es nach dem Abschluss der Sammlung für das Volksbegehren am 24. März 2020 weitergeht: Danach wird es hoffentlich einen Prozess geben, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, den Artenschutz in Baden-Württemberg entschieden und konsequent noch weiter voranzubringen. Im besten Fall wird es uns gelingen, sowohl eine Mehrheit der Bevölkerung als auch Initiatoren und Kritiker zusammen zu führen. Die Gespräche hierzu werden wir in den nächsten Wochen und Monaten gerne weiterhin intensiv führen.
In dieser komplexen Gemengelage und da es noch keine abgestimmte Meinung der Landtagsfraktion gibt, möchte ich ein persönliches Fazit ziehen. Ich unterstütze das Volksbegehren von Pro Biene, da die Ziele in die richtige Richtung gehen: mehr Biodiversität, mehr Natur- und Umweltschutz. Die Bedeutung der Landwirtschaft für die Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel, aber auch als Garant für unsere Kulturlandschaft kenne ich und verstehe mich als Unterstützer unserer Landwirte. Mit der positiven Annahme des Volksbegehrens wird es eine Umsteuerung in der Landwirtschaftspolitik geben müssen. Dazu stehe ich und werde diese Änderung aktiv begleiten. Ausnahmemöglichkeiten für die landwirtschaftliche Nutzung in Schutzgebieten sind schon jetzt im Begehren vorgesehen. Diese müssen auch sinnvoll genutzt werden. Die landwirtschaftliche Beratung muss stärker auf Biodiversität ausgerichtet werden. Pro Biene ist also kein statisches Projekt, sondern ein mittel- bis langfristiges Ziel, das durch Politik und Verbraucher*innen unterstützt begleitet werden muss.
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